Wer profitiert wie?
Abschaffung EigenmietwertEs gibt für breite Bevölkerungskreise gute Argumente gegen die Eigenmietwertsteuer und für ein Ja zum Systemwechsel am 28. September. Die Abstimmungskampagne des HEV Kanton St.Gallen nimmt die Absurdität der Besteuerung eines fiktiven Einkommens auf.
Eine Untersuchung des Eidgenössischen Finanzdepartements analysierte die Verteilungswirkungen, falls am 28. September 2025 die Eigenmietwertbesteuerung abgeschafft wird. Die Auswirkungen hängen massgeblich vom Hypothekarzinsniveau ab. Im aktuellen Umfeld mit Hypothekarzinsen um 1 bis 1,5% würde die ganz grosse Mehrheit der Eigentümerinnen und Eigentümer profitieren: Über 82% stünden dank der Abschaffung besser da. Denn die Besteuerung des fiktiven Einkommens der eigenen Liegenschaft übersteigt dann die Abzugsmöglichkeit der Schuldzinsen klar.
Fakt ist: Die Besteuerung eines fiktiven Einkommens ist schon vom Grundsatz her schwer nachzuvollziehen. Diese Absurdität der Eigenmietwert-Steuer nimmt die Abstimmungskampagne «Goht’s no?» des HEV Kanton St.Gallen mit einem Augenzwinkern auf. Der Eigenmietwert ist nicht nur eine überholte Anomalie unseres Steuersystems, sondern auch eine tatsächliche finanzielle Belastung für breite Bevölkerungskreise. Aber wer profitiert denn konkret von einer Abschaffung des Eigenmietwertes? Es gibt viele gute Gründe, weshalb es sich lohnt, am 28. September dem Systemwechsel bei der Liegenschaftenbesteuerung zuzustimmen.
Mittelstand
Die Besteuerung einer Eigenmiete beim selbstgenutzten Wohneigentum ist unfair. Auf allen anderen Vermögenswerten wie Autos, Wohnmobilen, Bildern oder Uhren, werden keine Steuern für die Eigennutzung erhoben. Gerade der Mittelstand wird ohnehin stark zur Steuer-Kasse gebeten. So sind Liegenschaftseigentümer heute von einer ungerechten Mehrfachbesteuerung betroffen: Sie zahlen Vermögenssteuer auf ihre Immobilie, Einkommenssteuern auf eine fiktive Eigenmiete, die Grundsteuer und bei einem Verkauf die Grundstücksgewinnsteuer, Handänderungssteuer sowie Beurkundungs- und Grundbuchgebühren. Mit einer Aufhebung der Eigenmietwert-Steuer wird diese steuerliche Mehrfachbelastung etwas reduziert und der Mittelstand entlastet.
Abgesehen davon setzt das aktuelle System, bei dem Schuldzinsen steuerlich in Abzug gebracht werden, falsche Anreize: Es bestraft jene, die sparen und ihre Schulden im Laufe der Jahre amortisieren. Aufgrund dieser Fehlanreize weist die Schweiz die höchste private Pro-Kopf-Verschuldung weltweit auf. Herr und Frau Schweizer tragen im Durchschnitt eine Schuldenlast von 120'000 Franken pro Kopf – mehr als das Doppelte des jährlich verfügbaren Einkommens. Die Abschaffung des Eigenmietwertes senkt die Verschuldung
und hat damit eine stabilisierende Wirkung auf die Immobilien- und Finanzmärkte. Das nützt der Wirtschaft und der ganzen Bevölkerung.

Rentnerinnen und Rentner
Wohneigentum ist auch als Altersvorsorge gedacht. Die Eigenmietwert-Steuer torpediert dies jedoch. Viele selbstnutzende Wohneigentümer haben ihr Leben lang gespart, um im Alter schuldenfrei und abgesichert wohnen zu können. Die geltende Belastung der Wohneigentümer mit einem fiktiven Einkommen untergräbt diese finanzielle Sicherheit im Rentenalter. Denn die Rente ist deutlich tiefer als das frühere Einkommen, aber die unverändert verbleibende Besteuerung des fiktiven Eigenmietwertes treibt die Einkommenssteuer in die Höhe. Und die steigenden Immobilienpreise führen dazu, dass der Eigenmietwert in Zukunft weiter ansteigen wird. Steckt das Ersparte im Eigenheim, können ältere Menschen sogar gezwungen sein, ihr Eigenheim zu verkaufen, um die Steuerlast tragen zu können. Goht’s no?

Junge Familien
Eine Familie gründen und in den eigenen vier Wänden hausen: Ein langgehegter Wunsch vieler. Doch Einkommenssteuern auf den Eigenmietwert machen den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum unattraktiv und oft zu teuer. Der Eigenmietwert belastet das ohnehin knappe Familienbudget. Goht’s no? Bei einem Ja zur Vorlage wird ein Sonderabzug von privaten Schuldzinsen für Ersterwerber von selbstgenutztem Wohneigentum eingeführt. Das erleichtert vor allem jungen Familien den Wohneigentum, indem die finanzielle Belastung in der Anfangsphase reduziert wird.

Stadtbevölkerung
Gerade in den städtischen Gebieten ist Wohneigentum immer mehr eine Mangelware. Denn die angestrebte Verdichtung ist einfacher gesagt als getan. Zusammen mit dem überdurchschnittlichen Bevölkerungswachstum treibt dies die Immobilienpreise in die Höhe. Wohneigentum wird für viele unerschwinglich. Der Eigenmietwert erschwert die Tragbarkeit zusätzlich. Das zeigt sich in einer tieferen Eigentumsquote in den Städten. Die Abschaffung des Eigenmietwertes wäre ein Impuls für mehr Eigentum, mehr Investitionen in den Bestand und letztlich auch für eine nachhaltigere Entwicklung des Wohnraums – ohne neue Subventionen und mit weniger Bürokratie.

Gewerbe
Die Eidgenössische Steuerverwaltung schätzt, dass durch die Abschaffung des Eigenmietwertes bei Erstwohnungen die Steuerbelastung um insgesamt rund 1,7 Milliarden Franken sinken wird. Dieses Geld bliebe bei den Eigentümern und könnte produktiv reinvestiert werden, etwa in den Unterhalt und die Renovation von Immobilien. Eine geringere Steuerbelastung würde die private Konsumnachfrage ankurbeln, was dem Gewerbe zugutekäme. Sowohl der kantonale als auch der Schweizerische Gewerbeverband stehen für ein Ja zur Abschaffung des Eigenmietwertes ein.

Landwirtschaft
Bäuerinnen und Bauern haben zwangsläufig einen ganz besonderen, engen Bezug zum eigenen Grund und Boden. Der Schweizerische Bauernverband hat deshalb ebenfalls die Ja-Parole zur Abschaffung des Eigenmietwertes beschlossen. Dass insbesondere ältere Menschen mit selbstgenutztem Wohneigentum von der Reform profitieren, ist für den Bauernverband ein wichtiges Argument. Gerade bei der Übergabe des Hofs an eine jüngere Generation kann der Eigenmietwert zur Belastung werden.

Mieter, die vom Eigentum träumen
Aufgrund der stark angestiegenen Immobilienpreise ist es heute für viele äusserst schwierig, selbst Wohneigentum zu erwerben. Die Eigenmietwert-Steuer erschwert die Tragbarkeit zusätzlich und ist damit ein unnötiges Hindernis bei der Verwirklichung eines zentralen und weitverbreitet angestrebten Lebensziels. Die Wohneigentumsförderung ist sogar in der Bundesverfassung verankert – aber zurzeit toter Buchstabe. Die neue Regelung erleichtert endlich, den Traum vom Wohneigentum in die Realität umzusetzen.
