Quartierüblicher Mietzins ist nicht missbräuchlich
Begründete Zweifel an Richtigkeit der MissbräuchlichkeitEine Frau mietete in Zürich eine 2-Zimmerwohnung für Fr. 1060/Mt. netto. Sie erfuhr, dass die Vormieterin nur Fr. 738/Mt. gezahlt hatte. Die Begründung der Mietzinserhöhung lautete auf «Anpassung an die orts- und quartierüblichen Verhältnisse». Die Mieterin klagte bei der Schlichtungsstelle den Anfangsmietzins als missbräuchlich ein.
Nachdem an der Schlichtungsverhandlung keine Einigung erzielt werden konnte, zog die Vermieterin den Fall ans erstinstanzlichen Gericht weiter. Zur Begründung der Orts- und Quartierüblichkeit des Mietzinses reichte die Vermieterin ein Privatgutachten ein mit insgesamt 23 Vergleichsobjekten, die hinsichtlich Lage, Grösse, Bauperiode, Ausstattung und Zustand mit der von der Mieterin gemieteten Wohnung vergleichbar seien und für die durchwegs ein höherer Nettomietzins bezahlt werde. Die Mieterin stellte die Vergleichbarkeit der präsentierten Objekte in Abrede. Das erstinstanzliche Gericht erachtete den monatlichen Nettomietzins als missbräuchlich. Eine dagegen gerichtete Berufung wies das Kantonale Gericht mit Urteil vom 2.3.2020 ab. Die Vermieterin erhob beim Bundesgericht Beschwerde mit dem Antrag, dass der Anfangsmietzins von netto Fr. 1’060/Mt. als nicht missbräuchlich zu erklären sei.
Übersetzter Ertrag aus der Mietsache
Unbestritten ist, dass es sich bei der vermieteten Liegenschaft mit Baujahr 1933, welche die Beschwerdeführerin 1948 erworben hat, um eine Altbaute handelt. Umstritten war jedoch, ob der vereinbarte Anfangsmietzins im Rahmen der ort- und quartierüblichen Mietzinse liegt. Gemäss Art. 270 Abs. 1 OR kann der Mieter den Anfangsmietzins anfechten und dessen Herabsetzung verlangen, wenn der Betrag missbräuchlich ist, namentlich wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird. Mietzinse sind in der Regel nicht missbräuchlich, wenn sie im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegen (Art. 269a lit. a OR). Um die orts- und quartierüblichen Mietzinse zu bestimmen, ist auf die Mietzinse für Wohnräume abzustellen, die nach Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode mit der Mietsache vergleichbar sind. Nach der bundesgerichtlichen Praxis sind mindestens fünf Vergleichsobjekte einzubeziehen. Ausser Betracht fallen Mietzinse, die auf einer Marktbeherrschung durch einen Vermieter beruhen. Amtliche Statistiken sind zu berücksichtigen.
Beweislast betreffend die Missbräuchlichkeit grundsätzlich vom Mieter zu tragen
Ebenfalls umstritten war, wer den Beweis für die Quartierüblichkeit zu erbringen hatte. Das Bundesgericht führt aus, dass die Beweislast betreffend die Missbräuchlichkeit des vereinbarten Anfangsmietzinses grundsätzlich vom Mieter zu tragen ist, wenn die Vermieterin sich im amtlichen Formular auf die quartierüblichen Mietzinse berufen hat. Diesen Grundsatz hat das Bundesgericht im Falle einer erheblichen Mietzinserhöhung aber abgeschwächt. Die im Fall vorliegende Erhöhung von 43.6% wurde als massiv erachtet und sei weder durch Entwicklungen des Referenzzinssatzes oder Konsumentenpreise, noch durch die lange Dauer des Vormietverhältnisses zu erklären, weshalb die Vermieterin verpflichtet wurde, den Gegenbeweis für die Ortsüblichkeit anzutreten. Es reicht aber aus, wenn die Vermieterin beim Gericht begründete Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Vermutung der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses weckt. Um diese Zweifel zu wecken, ist es denkbar, geeignete Statistiken hinzuzuziehen.
Das Bundesgericht erachtete das Erwecken dieser Zweifel als gegeben durch das Einreichen des Privatgutachtens mit den 23 Vergleichsobjekten und der langen Dauer des Vormietverhältnisses von fast 20 Jahren. Daher hiess das Bundesgericht die Klage gut und wies den Fall mit Urteil vom 6.5.2021 zur Vervollständigung des Sachverhalts und neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurück (BGE 4A_183/2020).