Rechtsecke

Beeinträchtigung der Aussicht durch eine Tanne

Sonne und Licht entzogenA ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein Chalet steht. Auf dem im Norden angrenzende Grundstück befinden sich Bäume und eine hohe Tanne. A forderte seinen Nachbarn auf, die zu nahe an der Grenze stehender Tanne und andere Bäume zu fällen.
Beeinträchtigung der Aussicht durch eine Tanne

Da der Nachbar keine Anstalten machte, die Bäume zu fällen, reichte A beim Bezirksgericht eine Beseitigungsklage ein. Das Bezirksgericht entsprach dem Begehren und verpflichtete den Nachbarn, die Bäume innert 30 Tagen zu beseitigen. Darauf erhob der Nachbar Berufung beim Kantonsgericht, welches die Einsprache abwies. Der Einsprecher zog das Urteil an das Bundes­gericht, welches das erstinstanzliche Urteil bestätigte.

Abgrenzung übermässiger Immissionen
Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässiger Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten (Art. 684 Abs. 1 ZGB). Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder den Entzug von Besonnung oder Tageslicht. Die Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen (übermässigen) Immissionen erfolgt nach Massgabe ihrer Intensität, die sich nach objektiven Kriterien misst. Das Gericht hat eine Abwägung der entgegenstehenden Interessen vorzunehmen, wobei es seiner Beurteilung den Massstab des Empfindens eines Durchschnittsmenschen in der gleichen Situation zugrunde zu legen hat.

Würdigung der konkreten Interessenlage
Bei dem nach Recht und Billigkeit (Art. 4 ZGB) zu treffenden Entscheid ist die individuell konkrete Interessenlage umfassend zu würdigen: Alle in der einzelnen Streitsache ins Gewicht fallenden Umstände sind auf ihre Erheblichkeit hin zu prüfen. Zu den von Art. 684 ZGB erfassten negativen Immissionen zählen nicht nur Schattenwurf und Lichtentzug, sondern auch das Verstellen einer aussergewöhnlichen Aussicht. Diese Art der Beeinträchtigung kann aber nur unter ausser­ordentlich strengen Voraussetzungen übermässig im Sinne von Art. 684 Abs. 1 ZGB sein, etwa wenn eine be­sonders schöne Aussicht in schwerwiegender Weise eingeschränkt wird oder das Nachbargrundstück aufgrund einer besonderen Nutzungsart auf die Aussicht angewiesen ist.

Massgeblich Sonne und Licht entzogen
Was die von den Bäumen ausgehenden Einwirkungen angeht, konstatiert das Kantonsgericht, dass eine Einschränkung der Sicht in Richtung Süden auf das Bergmassiv durch die Bäume erstellt sei. Hinsichtlich des Lichtentzugs und des Schattenwurfs verweist es auf die Ortsschau. Das Gericht habe festgestellt, dass sich die Hälfte des Vorplatzes der Beschwerdegegner um 13.30 Uhr im Schatten der doppelstämmigen Tanne befand. Die Erkenntnis, wonach die Beschattung aufgrund des Laufs der Sonne und des Standorts der Tanne im Laufe des Nachmittags noch zunehme, sei nachvollziehbar. Es sei nachgewiesen, dass die Bäume lange Schatten werfen, dadurch zeitweise das gesamte Chalet und dessen Vorplatz im Schatten liegen und dem Grundstück massgeblich Sonne und Licht entzogen werden. Im konkreten Fall ging es um Bäume, durch die dem Nachbargrundstück massgeblich Sonne und Licht entzogen werden, was die Aussicht auf das Bergmassiv stark beeinträchtigte. Das Bundesgericht bestätigte das Urteil der Vorinstanzen, sodass die beiden Bäume beseitigt werden mussten (BGE 5D_91/2020 vom 7.9.2020).